Eine Reise nach Felix Arabia:

Jemen

(k)ein Märchen aus 1001 Nacht !

Tagebuchaufzeichnungen meiner Jemen / Ägypten - Reise

 

vom 27. März bis 17. April 1993

Ostern 1993: Ich befinde mich im Jahre 3 nach Madagaskar, was soviel bedeutet wie Es ist wieder soweit: das bewährte Globetrotter-Team Herforth-Scholtz darf wieder auf Tour gehen!

Da Klaus in seiner "Länderhitparade" bereits bei Land Nummer 68 angelangt ist, wird die Auswahl allmählich geringer. Dennoch, "Traumziele" gibt es immer noch haufenweise; und da sich in diesem Fall Klaus' und meine Vorstellungen decken, ist aus vagen Gedankenspielereien bald ein konkretes Vorhaben geworden: Unsere zweite große gemeinsame Reise soll tief hinein nach Arabien führen, genauer gesagt in den Süden der Arabischen Halbinsel in den Jemen mit verlängertem Zwischenstop in Kairo.

Kaum daß der Plan für unser arabisches Abenteuer ausgereift ist, ist auch schon die Zeit der Reisevorbereitungen gekommen. Schulstreß, Schülerzeitung, Renovierung unserer Terrassenhauswohnung, der längst geplante Computerneukauf, ein enormer Impfmarathon und dergleichen mehr lassen die Reisevorfreude allerdings zunächst etwas verblassen. Die Vorzeichen scheinen nicht günstig zu sein: eine Sehnenscheidenentzündung im rechten Arm als Folge unermüdlicher Betonschlepperei, Verlängerung der heimischen Baustellenatmosphäre bis nach den Osterferien, viel schlimmer noch Muttis Treppensturz mit katastrophalen Auswirkungen auf das Sehvermögen ihres halbwegs noch intakten Auges; und dann, als ich quasi schon gestiefelt und gespornt zur Abreise in den Orient bereitstehe, der Anruf von Klaus, zum einen seien unsere Flugtickets noch nicht da, zum andern seien wir nicht für den vorgesehenen Flug auf der Liste, ein Tag Verzögerung also - mindestens!

 

Samstag, 27.3. i Frankfurt - Kairo

 

Die 30 minütige Verspätung von Klaus an der Raststätte Siegerland können mich nun auch nicht mehr erschüttern. Fakt ist, daß es heute losgeht, mit oder ohne Ticket!

1. Station: Frankfurt-Kelsterbach, Klaus' Geheimtip zum Abstellen von PKW in Flughafennähe. Ein (öffentlicher) Parkplatz zum Nulltarif - allerdings ohne Gewähr, das Fahrzeug dort hinterher auch wieder vorzufinden. Nach längerem Verhandeln und Insistieren am Schalter der "Egypt Air" erhalten wir Ersatzflugscheine, schließlich stehen wir schwarz auf weiß auf der Liste. Und dann endlich können wir uns gegen 14.30 h entspannt im Airbus der ägyptischen Fluglinie zurücklehnen, das arabische Abenteuer kann beginnen.

 

Zweieinhalb Tage Kairo auf der Hinreise, ein Tag auf der Rückreise sind angesagt. Viel zu wenig natürlich für ein so attraktives und geschichtsträchtiges Ziel, doch auch Reinschnuppern hat seinen Reiz.

Die Grenz- und Zollformalitäten sind ungewöhnlich schnell erledigt, bedenkt man, in welch buchstäblich hochexplosivem Zustand sich das Land momentan befindet. Meldungen über Attentate und Explosionen sind derzeit an der Tagesordnung.

Rolands Tip, wie die lästigen und wohl unvermeidlichen Taxiaufreißer auszutricksen seien, funktioniert blendend, so daß wir ruckzuck am Ziel unserer derzeitigen Wünsche sind. Im favorisierten El Hussein Hotel in direkter Nachbarschaft zum großen Khan-el-Khalili-Basar bekommen wir ein günstiges Zimmer mit toller Aussicht, Menschen- und Autolärm sowie eher zierliche Kakerlaken inklusive. Daß man vor Smog kaum die nahe Straße erkennen kann, stört uns nur am Rande.

Die meisten Läden im Basar sind schon geschlossen. Verkaufs-Anmache gibt's trotzdem noch genügend. Wir müssen uns mühsam einen Weg durch Berge von Dreck und Abfall bahnen. Im Zuge einer grellen Hochzeitsfeier inmitten des Gassengewirrs fallen uns fast die Ohren ab. Wie die Leute das ohrenbetäubende Getöse der Lautsprecherdurchsagen auf die Dauer nur aushalten können?!

Zum Schluß noch ein Sis Kebab gleich vorm Hotel - den Salat rühre ich im Gegensatz zu Klaus tunlichst nicht an. Daß der livrierte Ober uns in dem eher schäbigen Lokal dann mit einer Rechnung über 18 DM noch "über den Tisch zieht", ärgert uns doch ein bißchen. So kann's gehen, wenn man der Sprache des Gastlandes nicht mächtig ist.

 

Sonntag, 28.3. i Kairo total

Ein langer Fußmarsch mitten durchs Verkehrschaos dieser Riesenstadt, dann ist der zentral gelegene Tahrir-Platz erreicht. Wenig später betreten wir das am linken Nilufer errichtete Hilton Hotel, schleichen uns dreist zur Dachterrasse, wo sich das zur Zeit geschlossene Restaurant befindet und von wo man einen Superrundblick über ganz Kairo hat. Keine Menschenseele begegnet uns hier oben, so daß wir in aller Ruhe das irre Gewusel dieses explodierenden Molochs studieren können. Unsere ersten Eindrücke verdichten sich: Pracht und Elend, Beton und Verfall, Geschichte und Gegenwart, Orient und Occident liegen hier anscheinend sehr dicht beieinander. Und immer unübersehbar die unendlichen Menschen- und Automassen. Da wirkt der gemächliche Lauf des Nils wie ein ruhender Pol inmitten dieses Chaos.

Zum Ägyptischen Museum ist es nur noch ein Katzensprung. Zuvor aber melden wir uns telefonisch bei Ulrike und Christoph Weber, die hier mit ihren vier Kindern seit drei Jahren leben. Wir kündigen unseren Besuch für heute abend an.

Nun aber zu einem der Höhepunkte jeder Ägypten-Reise: das Ägyptische Museum, das seine Berühmtheit nicht zuletzt dem Schatz des Tut-Ench-Amun zu verdanken hat. Es ist wirklich sagenhaft, welch unermeßlichen Schätze in der Grabkammer dieses bedeutenden Königs gefunden worden sind. Glanzlicht unter all den ausgestellten Preziosen ist natürlich die weltberühmte Goldmaske, deren Bild wohl jeder schon mal irgendwo gesehen hat. Von "Besucheransturm" auf das Museum ist in unseren Führern die Rede; wir können die Eindrücke in aller Ruhe und ohne Gedränge auf uns wirken lassen - sicher eine Folge der angespannten politischen Lage mit verheerenden Einbrüchen im Tourismusbereich.

Würstchen und (ägyptisches) Bier für mich, eine gebratene Taube für Klaus im stimmungsvollen Restaurant Felfala. Doch vorher müssen wir eine gründliche Visitation über uns ergehen lassen - die islamischen Fundamentalisten lassen schön grüßen! Gerade gestern wieder ist ein Polizist von einer Bombe zerfetzt worden.

 

In einem Taxi lassen wir uns zu den nicht allzu weit entfernten Pyramiden von Gizeh chauffieren. Wie einfach sich doch das Rad der Geschichte um ein paar tausend Jahre zumindest in unseren Köpfen und für unsere Augen zurückschrauben läßt! Wir möchten die antiken Bauwerke hoch zu Rosse erkunden, und so ist es nicht verwunderlich, daß wir vor Erreichen unseres Ziels ganz "zufällig" einen weiteren Mitfahrer bekommen, der natürlich ganz "nebenbei" von seinen Pferden berichtet, die er uns für einen Ausritt zur Verfügung stellen will. Nach längerem Verhandeln gehen wir auf sein Angebot ein. 30 Ägyptische Pfund = 15 DM muß jeder von uns berappen, zuviel, wie wir bald merken, denn die Pferde sind in einem desolaten Zustand, von meinem Sattel ganz zu schweigen. Außerdem reiten wir ständig weit außerhalb des eigentlichen Pyramidenbereichs und können auch die berühmte Sphinx nur aus der Entfernung bewundern. Immerhin geht's teilweise in flottem Galopp durch die Wüste mit schöner Sonnenuntergangsstimmung. Und ein Weltwunder für 15 Mark gibt's auch nicht alle Tage ...

Statt die Pyramiden zu besichtigen, dürfen wir im "Palast der Lotusblume" die hier produzierten Parfumextrakte beschnuppern und die schönen (aber teuren) handgemachten Flacons bewundern. Geschäfte sind in dieser Verkaufsschau mit uns allerdings nicht zu machen. Ein bißchen Frust noch zum Schluß, als ich nicht nur feststellen muß, daß der schlechte Sattel mein rechtes Bein reichlich maltraitiert hat, sondern daß unser aalglatter Führer nun auch noch auf einem Trinkgeld für seine Wüstentour besteht, nachdem er vorher ja schon gut abkassiert hatte. Doch da heißt es bei uns Fehlanzeige.

 

Kurz nach sieben treffen wir pünktlich bei Webers ein. Wie eine Oase der Stille erscheint uns deren großzügige Wohnung in dem etwas abgelegenen, ruhigen Wohnviertel nach all dem Krach und Gestank zuvor. Lange haben wir uns nicht mehr gesehen, und so gibt es eine Menge zu erzählen, teils aus alten Siegener und Bonner Zeiten, teils über die Erfahrungen von Christoph als Entwicklungshelfer bei der GTZ und über Ulrikes Unterrichtstätigkeit an der Deutschen Schule hier. Das von Christoph zubereitete Mahl mundet ausgezeichnet, und der zahme Papagei sorgt immer wieder für zusätzliche Unterhaltung.

Gegen neun stößt Aske zu uns, eine Deutsche aus Ulrikes und Christophs Nachbarschaft, die uns eine Menge Tips und Informationen zum Jemen geben kann, wo sie über zwei Jahre lang gelebt hat. Klaus löchert sie vor allem mit Fragen zu dem Thema, nämlich zum Thema Perlen und alter jemenitischer Schmuck. Da Klaus seit einiger Zeit unter die Händler und Kaufleute mit Waren aus der Dritten Welt gegangen ist, muß ich mich wohl damit abfinden, daß vor allem sein Perlen-Tick unsere gemeinsame Reise dauerhaft begleiten wird.

 

Montag, 29.3. i Kultur- und Kaufrausch

Heute trennen sich für kurze Zeit unsere Wege. Während Klaus im Basar nach alten Perlen forscht, mache ich in Kulturgeschichte. Bis es so weit ist, lasse ich meine Sinne berauschen von echtem, orientalischem Markttreiben. Wie ein Labyrinth erstreckt sich das Gassengewirr quer durch die Altstadt. Die Müllmassen mitten drin tun meiner Euphorie keinen Abbruch. Und immer wieder ist ein freundliches "Welcome in Egypt" zu hören.

Bevor ich die hochgelegene Zitadelle erreiche, verbringe ich einige besinnliche Minuten in der Basrah Moschee, beobachte die wenigen Reisegruppen, plaudere (oder besser radebreche) mit spielenden Kindern. Von der Zitadelle, einem der Wahrzeichen Kairos, hat man einen fantastischen Rundblick. Selbst die Pyramiden von Gizeh sind schemenhaft in der Dunstglocke der Riesenstadt zu erkennen. Die eigentliche Attraktion hier oben aber ist die Muhamed Ali Moschee, deren helle, freundliche Erscheinung etwas an die Blaue Moschee in Istanbul erinnert.

 

Da ich Klaus nicht zum vereinbarten Zeitpunkt im Hotel antreffe, stürze ich mich meinerseits nun in das Gewühl des Souk Al Kahlilih. Auf der Suche nach dem Schnäppchen lande ich etwas abseits der Touristenströme bei einem Händler für Steinplastiken. Von Kitsch bis Kunst gibt es hier alles zu kaufen; und nach zwei Stunden angeregten Plauderns und Handelns werden der eloquente Verkäufer und ich uns über den Kauf von vier seiner steinernen Kunstwerke einig. Schwer bepackt ziehe ich zurück zum nahen Hotel.

Auch Klaus hat mächtig zugeschlagen. Im Eiltempo geht's dann noch einmal zu Webers, wo wir unsere Souvenirs für die nächsten zweieinhalb Wochen deponieren. Um halb eins nachts schließlich befinden wir uns bereits auf der Schnell- und Prachtstraße Richtung Flughafen, um gegen halb drei planmäßig in der Maschine nach Sanaa, der Hauptstadt des Jemen, zu sitzen.

 

Dienstag, 30.3. i Erste Eindrücke von Sanaa, der "Zuckerbäckerstadt"

Nach angenehmem Flug mit einer großen Mütze Schlaf setzen wir superpünktlich um sieben Uhr Ortszeit (+ 2 Std. MEZ) zur Landung an. Und der Anflug auf Sanaa ist eine Augenweide: wilde, karge Landschaften vor den Toren der Hauptstadt, Terrassenanlagen soweit das Auge reicht, zahlreiche schlichte Lehmhäuser - und alles im zarten Morgenlicht!

Zwei deutsche Lehrerinnen, Heide und Ute, beide so um die 50 und solo unterwegs, schließen sich uns bei der Suche nach einem günstigen Taxi an. Da wir ähnliche Reisepläne haben, belassen wir es nicht nur bei der gemeinsamen Taxifahrt, sondern nisten uns auch gemeinsam im idyllisch gelegenen Hotel Al Gasmy Palace inmitten der Altstadt von Sanaa ein. Im Hotel befinden sich noch einige andere deutsche Traveller, die bereitwillig Auskunft geben über Land und Leute und die vor allem auch mit wertvollen Insidertips nicht hinter dem Berg halten.

Die traum- und märchenhaft anmutende Altstadt von Sanaa schlägt uns auf Anhieb in ihren Bann. Als wären tausend Zuckerbäcker am Werke gewesen, präsentiert sich dieses von der UNESCO als "Erbe der Menschheit" eingestufte Wunderwerk aus Lehm und Stein. Die drei, vier Stockwerke hohen, z. T. krummen und windschiefen Häuser sind überwiegend weiß getüncht, weisen an ihren Fassaden florale Verzierungen auf, haben bunte Glasfenster und sind eng aneinander geschmiegt. Schmale, dunkle Gassen ziehen sich durch verwirrend durch die gesamte Altstadt und stellen beim ersten morgendlichen Ausflug meinen Orientierungssinn mehrfach auf die Probe.

Während Klaus es vorgezogen hat, sich für einige Stunden aufs Ohr zu legen, starte ich bald zu einem ausgedehnten Alleingang und bekomme die Höhenlage Sanaas (2200 m) hautnah zu spüren. Die Luft ist klar und kühl, und ein erster Regenguß kündigt sich durch ein dunkles Wolkenmeer an.

Daß Araber in ihrer Mentalität ganz und gar nicht über einen Kamm zu scheren sind, wird mir schon bald klar. Viel zurückhaltender, unaufdringlicher und dem Anschein nach auch ehrlicher als in Ägypten treten die Menschen hier dem Fremden gegenüber. Völlig unbeschwert kann ich meiner Wege gehen, kann mir Land und Leute in aller Ruhe ansehen, ohne angemacht zu werden. Sicher liegt im Gegensatz zu Ägypten eine der Ursachen auch in dem hier noch nicht überschwappenden Tourismus mit all den negativen Begleiterscheinungen und in der Tatsache, daß der Jemen bis vor kurzem von der Außenwelt mehr oder weniger noch abgeschottet gewesen ist. Zumindest in Sanaas Altstadt wirkt vieles noch archaisch und ursprünglich, wenn die "Segnungen westlicher Zivilisation" auch hier nicht mehr zu übersehen sind: Plastikmüll "made in Europe" ziert das herrlich enge Gassengewirr. Gelegentlich muß sich man sich regelrecht einen Weg bahnen durch den achtlos weggeworfenen Abfall.

Die Frauen, denen ich begegne, sind zum allergrößten Teil tief verschleiert, manche allerdings modisch bunt, was der Erscheinung etwas an Strenge nimmt. Die meisten Männer sind, wie ich es schon auf Bildern gesehen hatte, mit verzierten Krummdolchen "bewaffnet", der "Djambija", einem nicht zu übersehenden Männlichkeitssymbol, das zugleich offenbar je nach sozialer Zugehörigkeit auch ein Statussymbol ist. Witzig finde ich die einheimischen Trachten, die neben der Djambija noch einen dreiviertellangen Rock und ein meist mausgraues Jackett à la Müller-Wipperfürth umfaßt.

Und noch etwas fasziniert mich total: die überdimensional dicken Backen vieler mir begegnender Männer. Wie aufgeblasen sehen die teilweise unglaublich voluminösen und grotesk wirkenden Gesichtshälten aus. Quat (sprich Kat) ist das Zauberwort. Quat ist ein Strauchgewächs, dessen Blätter so lange gekaut und in einer Backe gesammelt werden, bis die in dieser Grünpflanze enthaltenen anregenden, wachmachenden und -haltenden Stoffe freigesetzt werden. Und Quatkauen am Nachmittag gehört - wie nachzulesen ist - im Jemen dazu wie bei uns das Amen in der Kirche. Versuche, dieser Unsitte (?) staatlicherseits beizukommen, sind allesamt kläglich gescheitert. Also wird jeden Mittag auf frischen Nachschub gewartet und munter weiter gekaut. Auf diese Weise wird allerdings ein Großteil des nachmittäglichen Wirtschaftslebens lahmgelegt, so daß man diese Marotte durchaus auch kritisch sehen kann. Während meines Bummels über den bunten Obst- und Gemüsemarkt macht mich eine große Meschentraube neugierig. Eine frische Ladung Quat ist eben eingetroffen; Grund genug, die alltägliche Quat-Zeremonie einzuläuten und "eine dicke Backe zu riskieren" ...

 

Mein erster Stadtbummel führt durch die Altstadt auf direktem Weg in das moderne Sanaa, wo ich einiges besorgen und erkunden möchte. Wie es scheint, tauche ich aus dem Mittelalter unvermittelt in die Neuzeit ein. Stinkender, lärmender Autoverkehr, Betonbauten westlichen Zuschnitts, moderne Geschäfte zu beiden Seiten der Hauptstraße und mittendrin der Tahrirplatz mit dem in vielen Ländern üblichen Protzgebaren: ein dicker Panzer krönt den ansonsten blumengeschmückten zentralen Platz.

Ein paar Straßen weiter, und schon befinde ich mich wieder im Orient. Eine kleine Kirmes mit antiken Autoscootern und Schiffschaukeln wirkt da eher komisch. weniger komisch geht's dann im Militärmuseum zu, wo in recht martialischer Form alles was zum Kriegspielen gehört ausgestellt ist. Und Kriege hat es in diesem Teil der Welt leider mehr als genug gegeben.

 

Im einzigen Kino der Stadt läuft "Robocop 2", ein Schundfilm, der zum Thema "Kriegspielen" paßt. Hier mache ich am Rande eine amüsante Beobachtung. Nachdem besagter Film wohl gerade zu Ende gegangen ist, strömen zahlreiche junge Männer (natürlich Männer!) aus dem Kino, gehen schnurstracks zu einer unscheinbaren Bude und lassen sich anschließend ihr dort deponiertes Eigentum zurückgegeben. Dabei handelt es sich jedoch nicht etwa um irgendwelche Art von Textilien, sondern um viel Wichtigeres, ihre Djambija, die sie offenbar zur Verhütung von Unheil vor Beginn des Films hier abgeben mußten ...

 

Im Dauerlauf, mit leichten Orientierungsschwierigkeiten, versuche ich, dem einsetzenden Regen zu entrinnen. Nach ein paar Schlenkern finde ich unser schönes Al Gasmy Palace Hotel in der verwinkelten Altstadt doch wieder.

Die Verschnaufpause ist nur von kurzer Dauer. Heide, eine der beiden Lehrerinnen, hat in Sanaa einen Freund eines Freundes angerufen, der nun hier im Gartenrestaurant unseres Hotels auftaucht. Markus, so sein Name, ist seit längerem Entwicklungshelfer im Jemen und kann uns eine Menge zu Land und Leuten erzählen.

Doch zuerst müssen Klausens Silbergelüste befriedigt werden, und so fährt Markus uns bald drauf in seinem Jeep mitten in das Altstadt-Gewimmel des Souk (sprich Suk = Basar). Noch ein paar Meter zu Fuß, und wir schon sind wir bei einem Silberhändler gelandet, welcher offensichtlich mit Markus befreundet ist. In angenehmer, freundschaftlicher Atmosphäre lassen wir uns in desssen einfacher Verkaufsbude die überwiegend edlen (Silber-)Stücke aus alter jüdischer Kunsthandwerkszeit erklären und vorführen. Beim Anblick all der tollen Schätze macht nicht nur Klaus etliche Rial locker. Auch ich komme zu meinem ersten prächtigen Mitbringsel, nämlich einem silbernen, kunstvoll gearbeiteten Krummdolch für umgerechnet 220 DM. Ein Superpreis, wie mir versichert wird. Außerdem kann ich hier weitere 1000 DM zu einem enorm günstigen Kurs tauschen (100 Rial = 38 Pfg.).

 

Letzte Station für heute ist ein einfaches Lokal, von Markus empfohlen und von uns für gut befunden. Für lächerliche acht Mark werden alle fünf (Heide und Ute eingeschlossen) gut satt. Nachdem wir Markus mit Fragen zum Jemen und zu unserer bevorstehenden Reise regelrecht durchlöchert haben, beschließen wir diesen langen und ereignisreichen Tag.

 

Mittwoch, 31.3. i Planen, Organisieren und Shopping bis zum Abwinken

 

Endlich wieder Tagebuch geschrieben! Klaus und ich sind uns nicht ganz sicher, ob wir mit unseren "Anhängseln" Heide und Ute das große Los gezogen haben. Für meinen Geschmack sind beide etwas zu anhänglich, und Utes Art ist - freundlich formuliert - recht problematisch. Klaus gerät mit ihr in einen verbalen Clinch, der aber ohne Folgen bleibt.

Immerhin, vom praktischen Gesichtspunkt aus bieten sich Perspektiven: Wir beschließen, für die nächsten vier Tage einen Jeep zu mieten und eine laut Reiseführer äußerst attraktive mehrtägige Rundfahrt zu machen. Tageskosten für den Jeep nur 55$, Fahrer inklusive.

Außer vielem Pflastertreten und weiteren Souk-Besuchen hält der Tag keine außergewöhnlichen Höhepunkte mehr parat, wobei natürlich angefügt werden muß, daß Sanaa, und im Besonderen die Altstadt von Sanaa ein einziger Höhepunkt ist!!

 

Donnerstag, 1.4. i Start unserer Rundreise per Jeep:
Sanaa - Hudäida

 

April, April? Denkste! Alles verläuft nach Plan. Pünktlich um viertel nach sieben steht Mohamed Ahmet mit seinem Toyota-Jeep vorm Hotel. Wie es sich für einen echten Jemeniten gehört, trägt Mohamed eine respekteinflößende Djambija sichtbar über dem Rock. Den markanten Schädel ziert ein kariertes Kopftuch. Englisch spricht er nicht, aber mit Händen und Füßen wird's wohl auch gehen.

Wie aus einem Trichter heraus bewegen wir uns in dem flotten Gefährt nach Verlassen von Sanaa gleich hinein in die jemenitische Bergwelt. Und was das für Berge sind! So etwas muß man wohl mit eigenen Augen sehen - Worte können da kaum die erlebten Eindrücke wiedergeben. Enorme Terrassenanlagen, Jahrhunderte alt und vom Verfall bedroht, säumen unseren Weg. Lehmfarbene Dörfer tauchen von Zeit zu Zeit inmitten der fantastischen Bergwelt auf. Verschachtelt wie Lego-Häuschen sind sie eingefügt in die schroffe, karge Landschaft. Neben der spärlichen Vegetation scheint außer ein paar kreisenden Raubvögeln auch die Tierwelt hier sehr bescheiden vertreten zu sein. Vorsintflutliche Ackergeräte zeugen von landwirtschaftlichen Bedingungen aus einer anderen Welt. Ein paar Frauen transportieren dürftige - und daher sicher umso wertvollere - Holzvorräte auf geschundenen Eselsrücken.

Nach drei Stunden Fahrt erreichen wir Menakha (sprich Menacha), von wo aus der erste Höhepunkt unserer Rundreise nicht mehr fern ist. Über Stock und Stein zuckelt der Toyota noch ein paar Kilometer weiter bis Hajarah. Hajarah ist ein Bergnest, wie ein Adlerhorst in die Bergwelt eingebettet, das uns regelrechte Begeisterungsrufe entlockt. Einmal durch die fantastische Lage und zum zweiten durch die absolut faszinierende Architektur, die sicher seinesgleichen sucht. Teilweise weiß getünchte Häuser mit mehreren Stockwerken, Steinbauten von kaum vorstellbarer Exotik.

Eine heraneilende Kinderschar grölt zu unserer Überraschung kurz nach unserer Ankunft in brüchigem Deutsch das Lied "Bruder Jakob" - da müssen schon vor uns ein paar Touristen "Entwicklungshilfe" geleistet haben...

 

Nach diesem Highlight gleich ein zweites: Von Menakah aus erklimmen wir zu Fuß in brennender Mittagssonne ein "Muß" laut unserem guten Know-How-Reiseführer, nämlich den Berg Kahel, auf dessen Gipfel sich in 2510 m Höhe eine kleine Ortschaft befindet. Die schweißtreibende Wanderung hat sich gelohnt, denn der Ort ist absolut sehenswert, obwohl er sich in einer Art Märchenschlaf zu befinden scheint. Und die Aussicht hier oben ist wiederum grandios.

 

Im Eiltempo chauffiert uns Mohamed anschließend auf der gut ausgebauten Teerstraße nach Hudäida, 136 km von Menakha entfernt. Die Fahrt führt großenteils durch ein fruchtbares Wadi, also ein meist ausgetrocknetes Flußbett, das durch seine gespeicherten Wasservorräte teilweise üppige Vegetation ermöglicht. Nachdem wir die Berge verlassen haben, durchfahren wir die sogenannte Tihama, eine ebene Fläche, die teils fruchtbar, teils aber auch völlig wüst ist. Man spricht auch vom afrikanischen Teil des Jemen, was beispielsweise an der viel dunkleren Hautfarbe der Menschen hier wie auch an den eigentümlichen Rundhütten am Wegesrand zu ersehen ist.

Plötzlich wird es enorm heiß, wir befinden uns in Meereshöhe. Dies freut unseren Klaus sehr, während uns anderen die schwüle Luft auf dem engen Rücksitz etwas zusetzt.

In Hudäida, einer dem Anschein nach recht modernen Hafenstadt am Roten Meer, finden wir schnell das von uns favorisierte Hotel (Funduk) Tihama.

Unser abendlicher Ausgang wird durch leckere Schrimps im nahen Restaurant bereichert. Dann ein Bummel am Meer entlang und - wie immer interessant - über einen reichhaltigen Obst- und Gemüsemarkt. Etwas getrübt wird die (Schein-)Idylle lediglich durch die fast schon obligaten Plastikberge ringsum und hier auch durch die vielen Menschenknäuel, die, in Decken eingerollt, die warme Nacht auf Bürgersteigen verbringen.

 

Freitag, 2.4. i Ein einmaliger Augenschmaus:
der Freitagsmarkt von Bait Al Faki

 

Nach dem Frühstück kutschiert uns Mohamed erst ein wenig durch den immerhin ganz ansehnlichen Strandpromenaden- und Hafenbereich von Hudäida. Pittoresk auf der einen Seite, etwas bedrückend auf der anderen, da sich dem Betrachter in Hafennähe eine Art Favela präsentiert, die Zeugnis gibt von der krassen Armut der hier lebenden Menschen. Schließlich gehört der Jemen mit zu den armen Ländern der Welt, was man beim Anblick all der herrlichen Sehenswürdigkeiten dieses Landes leicht vergißt.

Durch die Tihama geht es parallel zum Roten Meer nach Süden. Hauptziel des heutigen Tages ist der berühmte Freitagsmarkt Bait Al Faki. Heide hat allen Grund, über das Nichtfunktionieren ihrer Olympus zu lamentieren, angesichts der unendlich vielen Fotomotive, die uns dort erwarten. Ein wahres El Dorado für Fotofreunde. Umso erfreulicher für uns, daß man uns in unseren Fotoorgien gewähren läßt. Selbst das arabische Tabu, Frauen um keinen Preis ablichten zu lassen, scheint hier ohne Bedeutung. Wir können nach Belieben schauen, knipsen und staunen in diesem ursprünglichen Treiben, das vor allem durch seinen lauten und handfesten Handel von Tieren aller Art fasziniert. Hier werden Ziegen angeboten (oder auch gleich dem Schlachter vorgeführt), dort Hühner mit zusammengebundenen Beinen in die Höhe gehalten. Ja, selbst Kamele warten auf neue Besitzer. Daß man mit den Tieren nicht gerade zimperlich umgeht, versteht sich in diesen Breiten von selbst. Das Gewusel und Geschiebe erinnert mich stark an indische Zeiten. Aufdringlich oder gar agressiv wird dabei kaum jemand. Und das alles bei tropischen Temperaturen.

Gegen Mittag geht die Reise weiter. Bei einem Rundhüttendorf am Rand der Straße machen wir halt, um - wie die Heuschrecken - in die Abgeschiedenheit der hier lebenden Menschen einzufallen. Die Bewohner sind sehr freundlich und lassen uns ihre kargen Domizile betrachten. Was macht nicht alles für ein paar schnöde Fotos ...

 

In Zabied trinken wir den billigsten (und nicht den schlechtesten) Tee unserer bisherigen Reise für umgerechnet acht Pfennige! Ansonsten macht uns die Stadt, die früher als älteste Universitätsstadt der Welt gegolten hat, nicht an. Ein paar geschäftstüchtige Kinder spielen Fremdenführer. Außer ein bißchen Stuck an manchen Häusern, einem düsteren Souk, einer (geschlossenen) Festungsanlage und einer Moschee sowie wieder viel, viel Müll gibt's nicht so sehr viel zu sehen.

 

Dann geht's weg von der guten Teerstraße 30 km auf holpriger Schotterpiste quer durch die Wüste hin zu einem einsam gelegenen Nobel-Funduk (Herberge) am Meer. Da das Hotel nicht gerade Klaus' und meiner Vorstellung von einem halben Tag "Traumurlaub am Roten Meer" entspricht und der Übernachtungspreis von 38 DM / Doppelzimmer zudem relativ hoch ist, lassen wir uns von Mohamed noch ein paar hundert Meter weiter zu einem einfachen Camp in unmittelbarer Meeresnähe fahren. Rundhütten aus Lehm unter Palmen und direkt am Wasser, für uns ein Traum; ein Trauma jedoch für die uns begleitenden älteren Damen! Preis zu hoch (20 DM), Klo zu schlecht, Essen und Unterkunft zu primitiv; Grund genug für sie, sich zu vorherigem Nobelschuppen zurückchauffieren zu lassen, während Klaus und ich sich in dem idyllischen Ambiente zufrieden niederlassen. Die ganze Hütte für uns allein. Da stören auch die äußerst unbequemen und viel zu kurzen Schlafpritschen nicht. Wir genießen den Sonnenuntergang - und einen stimmungsvollen Abend ohne Heide und Ute!

Angeblich sei Schwimmen im Roten Meer im Bereich des Jemen fast unmöglich, zumindest ohne "Lustgewinn", was jedenfalls für dieses Fleckchen hier nicht zutrifft. Jubelnd stürze ich mich in die Fluten und finde es einfach toll. Das flache, warme Wasser und der starke, auflandige Wind böten - wenn der Gedanke nicht gar so abstrus klingen würde - ideale Voraussetzungen für ein Surfrevier. Aber Tarifa ist (Gott sei Dank) fern.

Zum Abendessen gibt's etwas verkohlten Fisch. Und um zehn Uhr geht mit dem Generator auch das Licht aus.

 

Samstag, 3.4. i Die heutigen Etappen unserer Rundreise: Hokha - Taiz - Jiblah

 

Um halb acht stehen Heide und Ute samt Jeep und Mohamed vor der Tür unserer Rundhütte. Da Klaus und ich bereits ein morgendliches Erfrischungsbad hinter uns haben, gehen wir fit und frohgelaunt wieder auf Tour. Etwas getrübt wird die gute Laune allerdings durch die Tatsache, daß Mohamed partout nicht dazu zu bewegen ist, die gewünschte (Wüsten-)Route nach Mokka einzuschlagen, und so müssen wir uns mit der Vorstellung begnügen, dem Herkunfttsort des Kaffees ganz nahe gewesen zu sein. Touristisch Interessantes soll es dort ohnehin nicht mehr geben.

Wir verlassen die Tiefebene der Tihama und fahren wieder in gebirgige Regionen. Während einer Erfrischungspause in einem auf unserer Route gelegenen Städtchen (Cola 24 Pfg.), macht mich ein Einheimischer darauf aufmerksam, daß ich gerade Brot mit der linken Hand esse. Ein Verstoß gegen geltende Sitten, da - wie ich als informierter Tourist eigentlich wissen sollte - die linke Hand in moslemischen Ländern als unrein gilt. Klaus kriegt auch noch sein Fett ab: Ein alter Mann kann sich beim Anblick von Klaus' Ohrring gar nicht beruhigen und ruft immerzu "Madame, Madame"!

 

Eigentlich wollten wir in Taiz, der drittgrößten Stadt des Jemen über Nacht bleiben, doch ändern wir kurzfristig die Marschrichtung und legen hier nur einen vierstündigen Zwischenstop ein. Zeit genug, um viel Geld auszugeben. Während seinen Routine-Silbergeschäften nachgeht, lasse ich mich hinreißen, eine wirklich schöne Korallenkette ("first quality") samt einem silbernen, wunderbar gearbeiteten, alten (?) Schmuckkästchen für insgesamt 110 $ zu erstehen. Heide wird beim Anblick der Kette ganz neidisch.

Kultureller und optischer Höhepunkt unseres Rundganges ist die Besichtigung der Aschrafija-Moschee aus dem 14. Jahrhundert. Wir dürfen sogar auf eins der schneeweißen Minarette steigen, von dessen Spitze man einen hervorragenden Rundblick hat. Im warmen Nachmittagslicht genießen wir die Aussicht auf ganz Taiz, die als "weltoffenste Stadt des Jemen" bezeichnet wird. Unsere Fantasien aber gehören der Architektur des Moscheenkomplexes, die unserer Meinung nach unübersehbare erotische Grundmuster aufweist. Und das im puritanischen Orient ...

Beim Fotografieren im Basarviertel will uns nicht nur kein einziges (heimliches) Foto von den hier bunt gekleideten Frauen gelingen, selbst die Männer winken beim Anblick der Kameras unwirsch ab.

 

Kurz vor Sonnenuntergang prescht unser Jeep die Berge empor in Richtung Ibb. Mohamed erscheint durch sein Kat-Kauen sehr beflügelt. Die Tachonadel bewegt sich in beängstigenden Höhen. Dafür gibt's tolle Ausblicke, und schließlich landen wir doch heile in Jiblah, wo wir ein ruhiges Hotel finden. Es ist das einzige am Ort.

 

Samstag, 4.4. i Heutiger Höhepunkt:
die Besteigung des Vulkanberges von Hamam Damt

 

Letzter Tag der viertägigen Jeep-Rundfahrt. Ganz schön komfortabel mit so einem Taxi, das einen (fast) überall hinkutschiert und bei jedem "Stop"-Ruf unverzüglich anhält, damit der werte Tourist sein Urlaubsfoto schießen kann. Auf Mohamed wirken wir (und ganz sicher unser Ute-"Schätzchen") bestimmt ganz schön bekloppt.

Bevor wir aber heute "on the road" sind, machen wir frühmorgens erstmal einen ausgedehnten Rundgang durch Jiblah. Und der lohnt sich allemal, da in diesem abgelegenen Bergstädtchen noch mittelalterliche Zustände pur zu herrschen scheinen. Einst war der Ort Sitz der Königin von Arwa, von deren Herrschaft ein halb verfallener Palast zeugt. Ein richtiges intaktes Aquädukt versorgt wahrscheinlich noch wie in jener Zeit den Ort mit Wasser. Einige Kinder führen uns (verbotenerweise) in das Innere einer Moschee, wo wir den öffentlichen Waschplatz samt zweier höchst primitiver Toiletten zu Gesicht bekommen. Das Toilettenproblem ist im Jemen vor allem für weibliche Reisende ohnehin allgegenwärtig. In einer anderen Moschee können wir (wiederum dank der Kinder) einen Koranunterricht sowie rituelle Waschungen von Gläubigen beobachten.

 

Um neun Uhr treffen wir uns alle wieder zur gemeinsamen Weiterfahrt nach Hamam Damt. Hamam bedeutet Badehaus, und Badehäuser gibt es dort in der Tat. Vulkanische heiße Quellen liefern den Grund für die Berühmtheit von Hamam Damt innerhalb des Jemen.

Für uns aber viel interessanter ist der hiesige Landschaftscharakter, dessen Hauptmerkmal die vielen aus der Ebene herausragenden Vulkane sind. Hauptattraktion ist der große Schichtvulkan gleich vor den Toren der Ortschaft, dessen Krater man über eine Eisenleiter erklimmen kann. Ein wirklich beeindruckendes Gebilde. Klaus und ich müssen als alte Geographen natürlich da rauf, während die Frauen ein Hamam aufsuchen, um dort ein Bad zu nehmen. Der Vulkan mit seinem riesigen Kraterrand ist in seinem Inneren mit Wasser gefüllt. Wir umrunden den gesamten Schlot, wobei wir eine gewagte Kletterpartie an einer Bruchstelle als kleine, spannende Einlage vollführen. Nach gelungenem Balanceakt, den ein einheimischer Aufseher mit wildem Pfeifen begleitet hat, müssen wir feststellen, daß uns beim Blick in die Tiefe mehr als vorher gedacht das große Schlottern ereilt hat.

Nach dem Abstieg, kommen uns Heide und Ute jodelnd und unterhosenschwenkend entgegen. Die dreiviertellangen "Liebestöter" hatten die beiden vor ihren Waschungen kaufen müssen. Daß Ute auch in diesem streng islamischen Land immer einen "Scherz" auf Lager hat, dürfen wir kurz drauf bei einer weiteren Kostprobe zur Kenntnis nehmen, als sie unserem verdutzten und verunsicherten Fahrer ihr edles Stoffteil grinsend unter die Nase hält und damit hin- und herwedelt.

 

Ein Fest für die Augen und "Stoff" für unsere Kameras bieten sich während der Weiterfahrt in Richtung Sanaa. Eine grandiose Bergwelt tut sich ein ums andere Mal auf. Wir überqueren zwei Pässe in fast 3000 m Höhe. Mohamed scheint heimatliche Luft zu schnuppern, denn er beschleunigt wieder das Tempo. Gegen halb sieben am Abend erreichen wir Sanaa, lassen uns zum vertrauten Al Gasmy Golden Palace Hotel chauffieren, um uns dann von unserem netten Mohamed mit einem Trinkgeld zu verabschieden. Jetzt heißt's erst einmal den Dreck der vergangenen Tage loszuwerden.

Zum gemeinsamen Abendessen gibt's dann mit Ute noch heiße Debatten über Verhaltensweisen bei Reisen in fernen Ländern und sogenannten "sanftenTourismus", wobei Klaus und ich ein ums andere Mal nur den Kopf schütteln können über so wenig Einfühlungsvermögen und Respekt vor Land und Leuten. Jedenfalls hat uns dieses letzte Ereignis zu dem Schluß kommen lassen, daß wir die Reise unter allen Umständen ohne Ute fortsetzen wollen.

 

Montag, 5.4. i Sanaa von A-Z

 

Wie mit Conni vor der Reise verabredet, suche ich heute die Deutsche Botschaft auf, um mich dort nach Post aus der Heimat zu erkundigen. Zum Glück gehe ich leer aus; keine Nachricht ist in solchen Fällen immer die beste. Für den Weg zur Botschaft und zurück habe ich mir ein Taxi geleistet, was sich angesichts des langen Weges auch als sinnvoll erweist.

In der Tourist Cooperation, einer Art Touristenbüro, stoße ich auf eine "Exhibition", was nichts anderes bedeutet, als daß dort jemenitisches Kunsthandwerk zu günstigen Preisen verscherbelt wird. Natürlich kann der finanzkräftige Tourist da kaum widerstehen, und so schlage auch ich erbarmungslos zu, indem ich zwei landestypische Silberketten aus altem jüdischen Handwerk und eine bunte Webdecke aus der Tihama für wenig Geld erwerbe. In mir regt sich allerdings ein wenig das schlechte Gewissen, da es mir langsam so vorkommt, als würde das Land bei dem florierenden Business mit Silberwaren nur um der Devisen willen seine Kultur und seine Tradition verkaufen. Wer weiß, wie lange die überall angebotenen Kunstschätze bei steigendenden Touristenzahlen noch im Lande sein werden. Ein Verkäufer aus dem Souk erzählte neulich, daß professionelle Händler aus Deutschland die tollen Schmuckstücke mittlerweile en gros aus dem Land ausführen.

 

Treffen mit Klaus beim "Palästinenser", das mittlerweile zu unserem Stammlokal gleich beim Tahrir-Platz geworden ist. Essen (Boiled Meat, Spaghetti), Karten schreiben und ein bißchen ausruhen, bevor wir dann unseren Hunger nach Kultur und Geschichte stillen. Der Besuch des nahen Nationalmuseums ist angesagt, wo es uns vor allem die dritte Etage mit vielen folkloristischen Darstellungen angetan hat.

 

Im Amt für Telekommunikation komme ich aus dem Staunen nicht heraus, als ich mit einer wunderschönen Telefonkarte in eine von etwa zehn topmodernen Kabinen gehe, die Ingolstädter Nummer von Conni wähle (alles mit digitaler Anzeige) und in Sekundenschnelle eine klare Verbindung bekomme. Über zwei Minuten kann ich für umgerechnet knapp fünf Mark sprechen. Daheim ist zum Glück alles o.k.

 

Bei einer Tasse Çay (Tee) genießen wir von der Dachterrasse des Golden Dar Hotels aus den unbeschreiblich schönen Ausblick auf die Altstadt von Sanaa im Farbenspiel der untergehenden Sonne.

Anschließend ist wieder Souk-Zeit. Ein alter Jemenit drückt mir in einer ehemaligen Karawanserei eine Djambija in die Hände, und obwohl ich ja bereits Besitzer eines silbernen Krummdolches bin, fackele ich nicht lange und nehme dem Mann das Stück für ein paar Rial ab. Klaus hingegen bringt im Schreinerviertel die dort ansässigen Handwerker zum Staunen, als er ihnen ein in deren Augen sicher wertloses altes Holzwerkzeug abkauft. Sie können nicht wissen bzw. verstehen, daß das gute Stück demnächst in einem Werkzeugmuseum in Köln seinen Platz finden soll.

 

Im Al Gasmy haben wir gestern ein Pärchen aus Heidelberg kennengelernt, mit dem wir heute abend Pläne für die nächsten Tage schmieden. Wir wollen versuchen, morgen bzw. übermorgen gemeinsam von Marib aus, das im Nordosten des Landes liegt, ins Wadi Hadramaut im ehemaligen Südjemen zu gelangen. Das Besondere daran ist, daß die Strecke quer durch die Wüste und vor allem quer durch Beduinengebiet führt.

 

Dienstag, 6.4. i Sanaa - Marib Mitten ins Reich der Königin von Saba

 

Globetrotters Herz darf wieder höher schlagen: Heute geht's mal wieder ohne "de luxe". Gleich am frühen Morgen muß die Frage, wie 10 Leute in einen Peugeot 505 passen, beantwortet werden. Und die Antwort fällt positiv aus. Eingezwängt wie Sardinen erreichen wir in dem voluminösen Kombi in weniger als drei Stunden Marib.

 

Marib gilt als die ehemalige Hauptstadt der Sabäer, die vor ca. 2000 Jahren hier gelebt haben. Oberhaupt dieses wohlhabenden Volkes soll die sagenumwobene Königin von Saba gewesen sein, die im Koran wie auch in der Bibel erwähnt wird (Zusammentreffen mit dem König Salomon). Bewiesen werden konnte diese These bisher allerdings noch nicht.

Wir setzen uns erstmal mit praktischen Fragen auseinander. Bei der Suche nach einer preiswerten Unterkunft landen wir nach einer Zickzackfahrt schließlich im "Bilquis", benannt nach eben besagter Königin. Es handelt sich um ein First-Class-Hotel mit Swimming-Pool. Preis 1200 Rial=48 DM für das Doppelzimmer. Wir haben keine Wahl, da die verbleibenden zwei Funduks ausgebucht sind. Also heute doch wieder "de luxe"!

 

Judith aus Heidelberg spricht prima arabisch, was manches für Klaus und mich leichter machen könnte. So wird schnell eine Fahrgelegenheit zu den außerhalb gelegenen Seheneswürdigkeiten organisiert. Wichtiger noch aber ist die Planung für morgen. Und meine Ausgangsidee scheint hinzuhauen: Wie's aussieht, können wir dank Judiths Sprachkünsten und dank ihres Charmes in einem Beduinenjeep morgen nach Schibam im Wadi Hadramaut mitfahren. Allerdings lassen sich die Wüstensöhne mit einem Preis von 9000 Rial für ihren "Geleitschutz" durch das "Leere Viertel" (Empty Quarter) reichlich entlohnen. Doch wir sind ja froh, wenn wir auf diesem unkonventionellen Weg überhaupt dorthin kommen. Und gerade als die Verhandlungen in vollem Gange sind, haben wir eine Begegnung der "besonderen Art": unsere beiden "Freundinnen" Heide und Ute entsteigen vor dem Hotel einem Sammeltaxi. Mit dieser Anhänglichkeit haben wir nicht gerechnet!

 

Trotzdem verlieren wir unsere gute Laune nicht und lassen uns wenig später zusammen mit Judith und deren Freund Dirk auf der Ladefläche eines Jeeps zu den Sehenswürdigkeiten der Umgebung kutschieren. Erster Stop ist vor den Toren der alten Stadt Marib. Diese ist eine längst verlassene, da im Bürgerkrieg 1962/69 zerbombte Lehmstadt inmitten trostloser Wüste. Umso eindrucksvoller dagegen der Gang durch die Häuserruinen. Die aus sabäischer Zeit stammende ursprüngliche Stadt Marib soll allerdings unterhalb dieser Ruinen liegen. Ein gefundenes Fressen für Archäologen, die hier ein weitgehend unerschlossenes Terrain vorfinden. Gleiches gilt für den ein paar Kilometer entfernt liegenden vermuteten Königinnen-Tempel, von dem einige viereckige Säulen aus der Wüste ragen.

Ganz besonders interessant für uns ist der Staudamm von Marib, sowohl der neue alsauch die Überreste des alten, der hier vor über 2000 Jahren das wüste Land in eine blühende Oase verwandelt hat. In der Antike galt er als eines der sieben Weltwunder. Die kolossalen Mauerreste machen die enorme Leistung für die damalige Zeit deutlich. Ein solches Meisterwerk läßt sich nur aus der strategisch ehemals so bedeutsamen Lage des sabäischen Reiches erklären, da in jener Zeit hier die berühmte "Weihrauchstraße" vorbeiführte.

Wir befinden uns mitten in staunender Betrachtung, als uns auch hier zwei wohlbekannte Damen über den antiken Weg laufen ...

 

Ein Bummel durch das neue Marib, das an eine verwegene Westernstadt erinnert, beschließt den heutigen Tag. Die vielen Kalaschnikows, die hier schon von Kindheit an zum guten Ton zu gehören scheinen, bestimmen das Straßenbild. Ein versöhnliches Bild bei einer solch geballten Ladung Kriegsspielzeug bietet sich uns letztlich wie folgt: Zwei martialisch ausgerüstete junge Männer, vorne die Djambija, hinten die aufgeschulterte Kalaschnikow, gehen einträchtig vor uns in dieselbe Richtung wie wir - beide friedlich Hand in Hand, wie es in arabischen Ländern nicht unüblich ist.

 

Das jemenitische Fernsehen erscheint mir - nach längerer Betrachtung der Programme auf dem Farb-TV in unserem Zimmer - als das ödeste der Welt.

 

Mittwoch, 7.4. i Sanaa - Schibam Zauber der Wüste

 

Ein (Geheim-)Tip für die Veranstalter der "Camel Trophy Tours": die Wüstendurquerung per Jeep zwischen Marib und Schibam im Wadi Hadramaut. Prädikat: höchst empfehlenswert!

So geschehen am heutigen Tage. Besatzung: Judith und Dirk, Klaus und ich sowie Mubarak, seines Zeichens Beduine, 25 Jahre jung und in bester Fahrlaune. Sein Können demonstriert Mubarak während der zwölfstündigen Fahrt (und nicht acht!) ein ums andere Mal. Erst auf bestens ausgebauter Straße, später dann Düne rauf, Düne runter durch endlose Sandwüste. Anscheinend hat er zwischendurch die Orientierung verloren, schaut angestrengt in die Ferne, in der außer ein paar Kamelen oder vereinzelten Beduinensiedlungen so gut wie nichts zu erkennen ist. Oder will er nur irgendwelche Kontrollen umfahren? Wir befinden uns in der Nähe der saudischen Grenze. Die Bezeichnung "Leeres Viertel" trifft den Nagel auf den Kopf.

Zwei-, dreimal fahren wir im Kreis, finden dann aber doch die richtige Spur. Und dann das irrwitzige Tempo. Mit 100 Sachen rast Mubarak über ebene Sandflächen, daneben immer noch zu einem kleinen Flirt mit Judith in der Lage. Meine Hochachtung vor Toyota und seinen scheinbar unverwüstlichen "Landcruisern" wächst von Minute zu Minute.

 

Doch dann endlich Land in Sicht: Schabwa wird passiert, eine Ruinenansiedlung heute, früher vor ca. 2000 Jahren eine bedeutende Handelsstadt.

Weiter geht's im Eiltempo. Während einer Pause unter einem einsamen Baum verzehren wir fast schon wollüstig die "organisierten" Hähnchenteile, die nach dem Abendbuffet im Hotel gestern abend übriggeblieben waren.

 

Langsam wird es dunkel und noch immer kein Wadi Hadramaut in Sicht. Erst als der Vollmond in voller Schönheit erstrahlt, erreichen wir gut durchgeschüttelt die Straße. Wir befinden uns nun im Wadi, das links und rechts von gewaltigen Tafelbergen und Inselbergen - Folge starker Erosion - gesäumt wird. Bis Schibam, unserem Tagesziel ist es nun auch nicht mehr weit.

Geschafft: Endlich taucht vor uns das "Chicago der Wüste" (Reise-Know-How) auf, eine aus Lehm erbaute etwa 500 Jahre alte Hochhausstadt. Und im einzigen, dazu neuen Hotel bekommen wir das letzte Zimmer - für vier Personen. Wir sind müde und zufrieden und freuen uns über ein gutes (Thun-)Fischmahl.

Und während wir noch in den Gedanken an die Erlebnisse dieses Tages schwelgen, trifft es uns wie mit einem Donnerschlag. Na, wohl nicht schwer zu erraten: Heide und Ute tauchen wie aus dem Nichts vor uns auf und verkünden stolz, daß sie in etwa die gleiche Tour wie wir gemacht haben - nur mit zwei Stunden "Vorsprung" ...

Die Stimmung ist leicht gereizt; zu sehr nervt mich diese lästige Liaison, so daß es letztlich auch noch zu einem blöden "Ehekrach" zwischen Klaus und mir kommt.

 

Donnerstag, 8.4. i Schibam - Sejuhn - Tarim Ein Tag im Wadi Hadramaut

 

Schibam im frühen Morgenlicht - ein Genuß! Stolz erheben sich die acht-, neungeschossigen schmalen und oft ganz schiefen Häuser aus der kargen Wüstenkulisse. Besonders gut zu überschauen ist dieses Wunderwerk aus Lehm vom gegenüberliegenden Berg aus, auf den ich bis zur Hälfte kraxele. Später, mit Klaus zusammen, erkunden wir das enge Gassenlabyrinth, bewundern die phantasievoll geschnitzten Türen und Fenster und landen schließlich in einem kleinen Laden, dem "Friends' Shop". Freundschaft allerorten: Wir befinden uns im ehemaligen Südjemen, dem bis 1990 kommunistischen Teil des Landes.

Mit der Vereinigung von Nord- und Südjemen hat es natürlich ähnlich wie in Deutschland einschneidende Veränderungen, vor allem für den ehemals kommunistischen Teil des Landes gegeben. So wurde hier z.B. der Rial als nationale Währung eingeführt, was einigen Leuten noch Schwierigkeiten zu bereiten scheint. Uns fällt auf, daß für dieselben Waren ganz unterschiedliche Preise verlangt werden oder daß das Wechselgeld sehr willkürlich ausfällt.

 

Ein paar Kinder halten uns unmittelbar vor besagtem Souvenirgeschäft, dem "Friends' Shop", alte Gebrauchsgegenstände unter die Nase. Auch sie wollen am touristischen Business teilhaben, das sich hier zum Glück aber noch sehr in Grenzen hält. Immerhin haben die Kids bei Klaus und mir Erfolg. Ein schön geschnitztes und raffiniert konstruiertes altes hölzernes Türschloß geht flugs in meinen Besitz über, während Klaus ihnen einen großen Trinkbecher ebenfalls aus Holz abkauft.

 

Das Lieblingswort vieler Kinder, das uns unentwegt zugerufen wird, ist "Sura", was übersetzt "Foto" bedeutet. Einigen erfüllen wir den Wunsch, für uns zu posieren. Und zur Belohnung gibt's Kaugummi.

 

Gegen Mittag verlassen wir diese interessante Stätte, um uns im 30 Kilometer entfernten Sejuhn nach einer neuerlichen Übernachtungsmöglichkeit umzusehen. Leider stehen Judith, Dirk, Klaus und ich bald vor einem ausgebuchten Hotel, dem einzigen am Ort, so daß wir umdisponieren müssen. Im Palace Hotel in Tarim, weitere 30 Kilometer von hier, soll noch was frei sein. Judith und Dirk beschließen spontan, sich direkt dorthin zu begeben und auch für uns ein Zimmer mitzubelegen.

Das gibt Klaus und mir die Möglichkeit, in aller Ruhe noch Sejuhn zu besichtigen, bevor es morgen weiter nach Aden geht.

Und als wär's ein Fluch, der diese Reise begleitet, tauchen inmitten der gnadenlosen Mittagshitze - na wer schon?! - Heide und Ute auf und rasen im Stechschritt an uns vorbei. Während Klaus und ich im Schatten eines Gartenlokals genüßlich unseren Çay schlürfen, kann Heide hechelnd nur kurz von ihren Erlebnissen der letzten Tage erzählen, um dann schnell wieder Anschluß an ihre Reisegefährtin zu bekommen. Eigentlich tut uns Heide richtig leid, mit dieser problematischen Partnerin geschlagen zu sein. Sehr deutlich gab sie uns zu verstehen, daß sie viel lieber mit uns reisen würde; jedoch fühle sie sich verpflichtet, diese Tour mit Ute irgendwie gemeinsam zu Ende zu bringen. Da lobe ich mir doch unser Globetrottergespann, das wirklich prächtig funktioniert!

 

Das Stadtbild von Sejuhn wird bestimmt vom monumentalen Sultanspalast, der sinnigerweise nur vormittags geöffnet ist. Auch in den Moscheen bleibt uns der Zutritt verwehrt. Wir befinden uns im konservativsten Teil des Jemen (und das im ehemals kommunistischen Teil!), wo wir als "Ungläubige" innerhalb der Gebetsstätten natürlich nichts zu suchen haben. Auch als ich ein Foto von dem ungewöhnlichen Friedhof mit eiförmigen Grabstätten mache, ernte ich böse Flüche. Die Altstadt ist ähnlich pittoresk wie die von Schibam.

 

Am frühen Abend sausen wir per Sammeltaxi nach Tarim, der letzten gut erreichbaren Stadt im Wadi Hadramaut. Unsere Quartiersuche entwickelt sich beinahe zum Spießrutenlauf, bis wir das Palace Hotel endlich gefunden haben. Wie der Name schon sagt, handelt es sich um einen (ehemaligen) Palast, der gleich beim ersten Anblick seinen morbiden Charme auf uns versprüht. Trotz blätternden Putzes und eines insgesamt vergammelten Zustandes bekommt man doch eine Vorstellung vom Leben der Sultansfamilien in früheren Zeiten.

Unmittelbar nach unserer Ankunft laufen uns Judith und Dirk über den Weg und erzählen von einem kurzzeitigen Besuch zweier Damen aus Germany ...

 

Den Abend genießen wir im Freien in tropischem Ambiente und sinnieren über die illustre Klientel früherer (kommunistischer) Zeiten, die hier in diesem Haus möglicherweise eingekehrt ist. Von RAF ist die Rede, von ETA, PLO usw., die im Südjemen alle ihre Ausbildungslager hatten.

 

Freitag, 9.4. i Tarim - Mukalla Im Eiltempo zum Indischen Ozean

 

Ganz im Gegensatz zu gestern, wo wir das Frühstück vom dicken Pensionswirt sogar spendiert bekommen haben, eilen wir heute um viertel vor sechs in aller Hergottsfrühe mit leerem Magen zum Taxistand, um pünktlich zum Bus nach Sejuhn zu kommen. Leider bedeutet das auch Abschied von Judith und Dirk, den netten "Edeltrampern", wie Klaus sie mehrfach respektlos genannt hat. Aber uns bleibt nur noch eine Woche, so daß wir weiterkommen müssen.

 

Die Busfahrt nach Mukalla dauert sieben Stunden. Wieder ist die Hotelsuche bei dem Minimalangebot an Unterkünften schwierig. Wir können von Glück sagen, daß wir im Hotel Mukalla mit einem holländischen Traveller-Pärchen zusammen ein schmuddeliges Vierbettzimmer bekommen.

 

Mukalla ist die südlichste Hafenstadt des Jemen am Indischen Ozean. Das Klima ist schwülheiß und etwas gewöhnungsbedürftig. Die 50 000-Einwohner-Stadt hat außer einem (geschlossenen) Sultanspalast, einem von unserem Hotel aus schön anzusehenden Stadtbild und einem glutroten Sonnuntergang im weiten Ozean nicht viel zu bieten. Auffällig ist die viel dunklere Hautfarbe der meisten Menschen hier. Die Nähe zu Afrika, aber auch zu Indien (auf dem Seeweg) ist unübersehbar.

 

Samstag, 10.4. i Mukalla - Aden

 

Die Nächte werden immer kürzer: Bereits um zehn nach fünf, kurz nach den unvermeidlichen Gesängen des Muezzin, stehen wir auf der Matte. Unserem Hotel kehren wir nur zu gerne den Rücken, sind doch vor allem die sanitären Einrichtungen hier unzumutbar. Eine englische Reisende erzählt von der frühmorgendlichen Begegnung mit einer fetten Ratte.

 

Heute liegt wieder eine geballte Ladung vor uns: 12 Stunden soll die Busfahrt von Mukalla nach Aden, der ehemaligen Hauptstadt des Südjemen, dauern. Doch der Bus ist recht bequem, und für Berieselung ist durch den flimmernden Fernseher gesorgt, der den Fahrgästen ägyptische Action- und indische Liebesfilme en masse serviert. Aber der Blick nach draußen ist ohnehin viel interessanter. Rasch wechselnde Landschaften, wunderbare, touristisch unvermarktete Strände am Indischen Ozean, zerklüftete Karstgebiete, platte Steinwüste, dann fast schwarze Lavaflächen und kurz vor Aden fruchtbares Ackerland zu beiden Seiten der gut ausgebauten Straße.

 

Mit dem holländischen Pärchen, unseren Zimmergenossen von vergangener Nacht, und einem älteren englischen Ehepaar gehen wir nach der Ankunft in Aden auf Hotelsuche. Klaus und ich bleiben in einer ziemlich heruntergekommenen Absteige im Stadtteil Crater hängen, während sich die anderen für etwas mehr Komfort in einem anderen Viertel entscheiden.

 

Auch am Abend ist es noch schwülwarm. Unser Rundgang beschränkt sich auf den Souk, der jedoch mit dem in Sanaa nicht im Entferntesten konkurrieren kann.

Schwierig für uns ist die Verständigung, da hier kaum jemand Englisch spricht. Ich lasse mehrfach Flüche los über das eigenartige Währungsdurcheinander, in dem mir mehr und mehr der Durchblick verloren geht und ich das Gefühl habe, ständig betuppt zu werden.

Davon daß Aden der einzige Ort innerhalb des Jemen sein soll, in dem Alkohl ausgeschenkt wird, bekommen wir nichts zu spüren. Lediglich ein alkoholfreies Bier ist in einem Lokal zu bekommen, und zwar "Made in Germany". Nichtsdestotrotz gibt es in Aden eine eigene Brauerei, die allerdings - wie zu erfahren war - unter ständigem "Beschuß" der islamischen Fundamentalisten steht.

 

Sonntag, 11.4. i Aden - Sanaa Im Rausch zurück nach Sanaa

 

Davon, daß heute Ostersonntag ist, ist hier natürlich nichts zu spüren. Klaus hat sich in aller Frühe in Richtung Taiz davongeschlichen, um dort in größerem Stil als vor acht Tagen Silberschmuck zu erwerben. Wie wir durch Vergleiche inzwischen festgestellt haben, ist innerhalb des Jemen

das Edelmetall dort wohl am billigsten. Abends wollen wir uns dann in Sanaa wiedertreffen.

 

Ich hingegen möchte mir erstmal Aden etwas vornehmen. Die Lage der Stadt ist wohl einmalig. Der Hauptteil - Crater - liegt mitten in einem solchen! Im Pliozän (ei, wann war denn das?) ist der Vulkan zum letzten Mal ausgebrochen und hat die heutige Form geschaffen. Von der vorgelagerten Insel Sira aus kann man sich ein gutes Bild machen von den Auswirkungen der vulkanischen Tätigkeit. Außerdem hat man von dort oben die 370000 Einwohner zählende Stadt voll im Blick. Kaum vorstellbar, daß vor gerade mal sieben Jahren anläßlich eines blutigen Machtkampfes sage und schreibe 13000 Menschen hier ihr Leben verloren haben. Eine von vielen Nachrichten, die von der Weltöffentlichkeit unbeachtet geblieben sind. Ich kann mich jedenfalls nicht an eine derartige Schreckensmeldung erinnern.

 

Bevor ich meine Siebensachen packe, um gegen Mittag auch gen Sanaa aufzubrechen, mache ich noch einen Abstecher ins Nationalmuseum, das genau wie das in Sanaa in einem Sultanspalast untergebracht ist.

Die letzten Eindrücke von Aden: Der eigentliche Stadtbereich wirkt trotz geschäftiger Hektik eher kleinstädtisch; viele Frauen sind zwar wie überall verschleiert, haben aber im Gegensatz zu anderen Regionen das Gesicht frei; und in den Straßen der Stadt gibt es auffällig viele und teilweise verkrüppelte Bettler.

 

Während der siebenstündigen Busfahrt nach Sanaa riskiere ich "eine dicke Backe". Wie kaum anders zu erwarten, bietet mir mein Busnachbar schon wenige Kilometer hinter Aden die erste Portion Quat an, die ich todesmutig annehme. Ich versuche, es den Mitreisenden gleichzutun, die kleinen Blätter erst zu zerkauen, um dann den Blätterbrei in eine Backentasche zu schieben. Dort muß das Zeug dann möglichst lange verbleiben, um nach und nach seinen stimulierenden Saft abgeben zu können. Und so kaut und schiebt man, kaut und schiebt man, bis die Backe schließlich kugelrund geworden ist. Nach einer gewissen Zeit löst sich der entstandene Brei dann auf und wird mit runtergeschluckt. Meine Backe ist zwar nicht kugelrund, doch bin ich ganz gut versorgt mit dem für Jemeniten teuren Kraut. Und tatsächlich spüre ich schon bald eine aufmunternde, ja fast aufputschende Wirkung. Mein Nachbar teilt mir in gebrochenem Englisch mit, daß die Wirkung auch im Sexuellen enorm sei, und fragt, was ich denn nun ohne meine Frau in diesem Zustand machen wolle ...

 

Die Gespräche im Bus sind auch sonst sehr anregend. Mit meinen 20 Brocken Arabisch kommme ich natürlich nicht weit, so daß man immer nur auf ein paar Englischkenntnisse der Gesprächspartner hoffen kann. Zum zweiten Mal wird mir heute die Frage gestellt, ob es in Deutschland tatsächlich eine so schlimme Fremdenfeindlichkeit gebe, wie aus den Medien zu erfahren sei. Das erscheint den Menschen hier schwer verständlich, wo doch "Alemania" immer als "tamam" angesehen wird, also als gutes Land.

 

Abends im "Al Gasmy" das große Wiedersehen: Klaus trifft nur 10 Minuten nach mir ein, und wer ist schon etwas länger wieder "daheim"? Eine überflüssige Frage. Heide und Ute haben trotz etlicher Variationsmöglichkeiten fast exakt die gleiche Tour hinter sich wie wir. Vielleicht sollten wir demnächst unsere Reisepläne nicht so laut ausposaunen. Immerhin können die beiden noch mit einer Einbruchsstory aus Aden aufwarten, mit der wir - glücklicherweise - nicht dienen können. Dafür stelle ich gefrustet fest, daß ich meine geliebte "Pennermütze" (O-Ton Maren) im Bus liegengelassen habe.

 

Montag, 13.4. Ein Tagesausflug nach Kuchlan und Hadscha, der es in sich hat

 

Heute wandele ich wieder auf Solo-Pfaden, da Klaus es des Silbers wegen nach Sada in den Norden des Jemen zieht, wo er auch über Nacht bleiben wird.

Ich hingegen möchte mein "Rest-Pflichtprogramm" einläuten mit einer Tagestour nach Kuchlan und Hadscha. Beide Ortschaften liegen hoch in den Bergen, und die Fahrt dorthin wird vom Reiseführer als "eine der schönsten Bergstrecken im Jemen" gepriesen.

Und in der Tat raubt es einem fast den Atem, wenn man aus der Hochebene von Sanaa in die wilden Bergregionen gelangt. Ich bin per Sammeltaxi unterwegs und leiste mir den Luxus, meinem (gar nicht so) breiten Europäer-Hintern einen ganzen Sitz zu gönnen. Normalerweise säßen hier zwei Passagiere; doch muß ich dafür auch den doppelten Preis berappen.

 

Vor Erreichen des Bergnestes Kuchlan steige ich aus und erwandere mir, wie ich es in unbekannten Gegenden am liebsten tue, erstmal die ganze Umgebung. Von einer Anhöhe aus habe ich einen herrlichen Ausblick auf das Dorf, das aussieht, als sei es an den schroffen Fels festgeklebt. Auch das Umland mit riesigen Bergmassiven und tausenden von mühsamst angelegten Terrassen ist absolut imposant.

Im Dorf ist wohl gerade die Schule aus, und eifrige Schüler, die Bücher unter die Arme geklemmt, möchten gerne Fremdenführer spielen. Vorbei geht's an zwei Zisternen, die die Wasserversorgung des Dorfes liefern. Das ständige Kommen und Gehen von Mädchen und Frauen mit leeren und gefüllten Eimern auf dem Kopf ist natürlich etwas fürs Touristenauge.

Steil nach unten ins Unterdorf führt ein Stolperweg, und bald drauf befinde ich mich an der Straße nach Hadscha. Nach nur wenigen Minuten hält ein Wagen, der mich die verbleibenden Kilometer bis Hadscha mitnimmt. Daß Anhalterfahren ganz selbstverständlich auch bezahlt wird, habe ich inzwischen schon gelernt.

 

Leider bleibt mir für die weitläufige und moderne Kleinstadt Hadscha nur wenig Zeit, da ich mich rechtzeitig um ein Sammeltaxi zurück nach Sanaa kümmern muß. Um sechs Uhr wird es hier dunkel, und die Fahrt dauert über zweieinhalb Stunden.

Ein neuer Rekord: Wir sitzen zu elft in dem alten, klapprigen Peugeot.

Unterwegs sind strenge Polizeikontrollen, und daß ich meinen Paß nicht bei mir habe, wird sehr mißbilligend zur Kenntnis genommen. Erst die Frage nach meinem Beruf und meine kurze Antwort, ich sei Lehrer, scheint die Kontrolleure zu beruhigen, weshalb auch immer. Die pingeligen Kontrollen werden mit den bald stattfindenden Präsidentenwahlen und der Angst vor Anschlägen von Extremisten begründet.

 

Im Al Gasmy Hotel angekommen, nehme ich freudig einen Mini-Umzug von Zimmer 105 nach Zimmer 103 vor, was einen viel größeren Unterschied ausmacht, als die bloßen Zahlen vermuten lassen.

 

Dienstag, 14.4. Und wieder was fürs Auge:
eine Exkursion nach Thulla und Kaukaban

 

Das ursprüngliche Märchenland verwandelt sich zusehends in eine Schlammlandschaft. Wir befinden uns wohl mitten in der Regenzeit, so daß Schirm und Gummistiefel eigentlich angebracht wären.

 

Der heutige Tagesausflug soll nach Thulla und Kaukaban, etwa 30 km von Sanaa entfernt, führen. Doch dazu gilt es zunächst ein Hindernis zu überwinden, nämlich das auf Fahrgäste wartende Sammeltaxi voll zu bekommen. Mutterseelenallein sitze ich in dem allradgetriebenen Gefährt, als - schau an! - Heide und Ute angetrottet kommen. Da offenbar keine weiteren Fahrgäste zu erwarten sind, leisten wir uns ein "Taxi Special", will heißen, daß wir für die nicht vorhandenen Mitfahrer mitbezahlen müssen.

 

Nach 45 Minuten ist Thulla erreicht. Zum Glück regnet es noch nicht, und so können wir das beeindruckend geschlossene mittelalterliche Stadtbild ungetrübt genießen. Allerdings doch nicht so ganz ungetrübt, denn hier stoßen wir erstmals auf wirklich lästige und aufdringliche Kinder, die mit ihren Geld- und Kugelschreiberforderungen kaum lockerlassen. Hier sind die "Segnungen" des zunehmenden Tourismus deutlich wie sonst bisher nirgends zu spüren.

Dennoch fasziniert mich der Ort, und es bieten sich immer neue Fotomotive. Als aber der eingespannte Film gar nicht enden will, beginne ich, Schlimmes zu ahnen. Der letzte Film ist nicht transportiert worden, und all die schönen Fotos, die ich gestern und heute geschossen habe, sind futsch. Verdammte Technik!

 

Mit einem anhaltenden PKW geht's in den nächsten Ort, nach Schibam, das nicht mit der gleichnamigen prächtigen Hochhausstadt im Hadramaut verwechselt werden darf. Dieses Schibam ist trist und grau. Das Besondere dieses Ortes aber liegt einige hundert Meter steil darüber: das Dorf Kaukaban, das wie ein Adlerhorst hoch oben thront.

In flottem Tempo erklimme ich den Berg, um dann - ebenfalls im Sauseschritt - die fantastische Aussicht von oben zu genißen und die wenigen Häuser, die vom Bürgerkrieg 62/69 verschont geblieben sind, in Augenschein zu nehmen. Geschäftstüchtige Jungen versuchen, mir gefälschte Theresientaler für echte anzudrehen.

 

In Sanaa schüttet es mittlerweile wie aus Kübeln. Klaus ist wieder gut aus Sada zurückgekommen, so daß wir daran gehen können, Pläne zu schmieden für den morgigen letzten Tag im Jemen.

 

Donnerstag, 15.4. Zum Sommerpalast des Imam Yachyas im Wadi Darr

 

Das Sammeltaxi läßt uns vor Erreichen des Wadi Darr an der Steilkante oberhalb des Flußtals raus. Von hier oben gibt es - wieder einmal - echtes Genußsehen weit in die felsige Ferne und hinab in das fruchtbare Wadi. Und da ist ja auch noch ein besonderes Gebäude, nämlich der Sommerpalast des Imam Yachyas, gleichzeitig eine der Hauptattraktionen des Jemen. Derentwegen pilgern fast sämtliche Jemen-"Touris" (vor allem die "Jet-Sets in ihren Edel-Jeeps) hierher.

Aber es lohnt sich, wie wir feststellen, als wir das auf einem Fels sich in die Höhe windende Bauwerk aus den Dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts in voller Pracht vor uns haben. Gegen Entgelt ist es auch von innen zu besichtigen, wobei kein Inventar zu bestaunen ist, da wohl gerade renoviert wird. Wie wir erfahren, soll aus dem Palast demnächst ein Hotel werden, was wir gar nicht so toll finden.

 

Gerade rechtzeitig zu Beginn des großen Regens sind wir wieder in Sanaa. Eine wahre Sintflut kommt hernieder. Und kein Ende ist in Sicht. Menschen und Autos quälen sich durch das Hochwasser. Was auf der einen Seite für uns ein Schauspiel ist, entwickelt sich aber andererseits zu einem Ärgernis. Beim letzten Einkaufsbummel durch den Souk müssen wir von Verkaufsbude zu Verkaufsbude waten.

Allerdings tut dies unserem Kaufrausch keinen Abbruch. Die letzten Dollars und Traveller-Schecks werden (nicht ganz) verjubelt. Auch ein von mir mitgebrachter Taschenrechner in Form eines Hundertmarkscheins findet als Tauschobjekt für ein dekoratives Döschen Verwendung.

Da Klaus bei seinen Handelsplänen wohl nicht ganz richtig disponiert hat, muß ich mehrfach als Geldverleiher fungieren, was uns in der Endphase der Reise zu dauerndem Rechnen zwingt.

 

Eigentlich wollten Klaus und ich zum Abschluß noch einmal richtig beim angeblich so guten Abendbuffet im Sheraton Hotel "auf den Putz hauen". Doch leider läßt mich Klaus in seinem Business-Fieber hängen, so daß ich alleine zum Essen losziehe. In einer einfachen Kaschemme am Bab Al Jemen, dem alten Stadttor, treffen wir uns dann zufällig wieder. Nix Sheraton, schade!

 

Freitag, 16.4. i Sanaa - Kairo

 

Zum Schluß noch ein kleines Abschiedsgeschenk: Endlich scheint die Sonne wieder.

Bedauerlicherweise hatte sie sich während der letzten beiden Tage rargemacht, so daß wir den letzten Ausblick vom Dach unseres Hotels auf das im Morgenlicht leuchtende Sanaa umso mehr genießen.

Der Countdown ist eingeläutet: die letzten Fotos werden geschossen, Abschied genommen von den freundlichen Angestellten unseres Al Gasmy Hotels und ab ins pünktliche Taxi, das uns zum Flughafen bringt. Mit uns fahren - na? - natürlich Heide und Ute, die mit demselben Flugzeug die Rückreise antreten wie wir.

Die Kontrollen am Flughafen sind absolut streng, stressig und langatmig. Während Klaus um seine Preziosen zittert, bange ich um meine silberne Djambija, die nach Taschendurchleuchtung herausgezogen wird. Im Gegensatz zu Klaus, der sein Säckchen voller Wertsachen zurückbekommt, muß ich meine "Waffe" abliefern, meine Adresse hinterlassen und darf darauf hoffen, das gute Stück in Kairo wieder ausgehändigt zu bekommen.

 

Unsere Nerven beginnen zu flattern. Um zehn nach acht sind wir immer noch nicht in der Maschine, die eigentlich schon um acht Uhr gestartet sein sollte. Wenig später ist es dann doch geschafft. Erschöpft lassen wir uns in die Sessel der Boeing fallen, als das nächste Unheil naht:

 

Statt daß die Maschine startet, setzt plötzlich großes Geschrei hinter uns ein. Dem folgt ein Handgemenge und ein wildes Durcheinander. Die Passagiere schauen sich völlig verunsichert um, Kinder beginnen zu weinen. Keiner weiß, was los ist.

Endlich wird die Lage überschaubar. Ein an den Händen gefesselter Gefangener hat wild durchs Flugzeug geschrien, ebenso groß war das Geschrei der Sicherheitskräfte, die sich gleichzeitig in großer Zahl auf den Mann stürzten. Wir vermuten, daß es sich bei dem Gefangenen um einen islamischen Extremisten handelt, der nach Ägypten ausgeliefert werden soll.

 

Nach diesem überflüssigen Intermezzo hebt der Flieger dann letztlich doch noch ab, und wir dürfen uns über unsere guten Plätze freuen. Die Aussicht auf gewaltige Kraterlandschaften und anschließend auf das Rote Meer läßt keine Wünsche offen.

 

In Kairo erleben wir eine kleine Überraschung. 38oCelsius werden gemeldet, eine Wohltat nach den feuchtkühlen Tagen.

Ohne "Träne im Knopfloch" sagen wir Heide und Ute adieu, die gegen Mittag gleich nach Frankfurt weiterfliegen. Klaus und ich indessen dürfen sich noch auf einen Tag Kairo freuen!

 

Kein Reiseveranstalter hätte besser planen können. Vor dem Airport erwartet uns ein junger Mann, den wir gleich zu Beginn unseres Jemenaufenthaltes im Al Gasmy kennengelernt hatten.

Er ist Ägypter, lebt aber in Dortmund und hat eine kleine Reisegruppe im Jemen betreut, die mittlerweile aber wieder in Deutschland ist. Wir betätigen uns als Kuriere, da wir ihm absprachegemäß einen Geschäftsbrief aus Sanaa überbringen. Als Gegenleistung chauffiert er uns in seinem klapprigen Mercedes in das ziemlich weit entfernte El Hussein Hotel, in dem wir bereits auf der Hinreise genächtigt haben.

 

Nach kurzer Ruhepause in vertrauter Umgebung zieht es uns erst noch einmal in den Souk, bevor wir einen alten Bekannten wiedertreffen. Als wären wir die besten Stammgäste, begrüßt uns der immer zu einem Späßchen aufgelegte Taxifahrer, der uns bereits vor zweieinhalb Wochen mehrfach durch Kairo kutschiert hat. Da wir Webers noch einen letzten Besuch vor unserer Heimreise abstatten wollen, lassen wir uns mit besagtem Filou auf das landesübliche Handelsritual ein, werden uns bald über den Fahrpreis einig, und so sind wir bald bei Ulrike, Christoph und deren vier Kindern. Dort trinken wir gemütlich Kaffee, erzählen von unseren Erlebnissen und treffen schließlich auch noch Aske, die jemenerfahrene Freundin von Webers.

Bepackt mit den dort deponierten schweren Plastiktüten, die voll sind von überwiegend steinernen Mitbringseln, ziehen wir gegen Abend wieder von dannen.

 

Nachdem es gestern mit dem Nobel-Abschluß im Sheraton von Sanaa nicht geklappt hat, wollen wir als alte Genießer das Versäumte heute nachholen. Eine Fahrt auf dem Nil mit opulentem Abendbuffet soll's sein. "The Pharaoes" ist uns empfohlen worden, der "Moby Dick vom Nil". Kitschig zwar, aber doch mit gewissem Flair. Alles ist reichlich vornehm, der Preis für die abendliche Freßtour dafür noch erträglich: umgerechnet 25 DM plus Getränke. Und nach langer (fast) alkoholfreier Zeit im Jemen leiste ich mir ein wohlmundendes ägyptisches Stella-Bier.

Nach dem üppigen Buffet tritt eine (überflüssige) Sängerin auf, gleich anschließend eine wohlgeformte Bauchtänzerin, die lustlos ihre Standardnummer abzieht. Leider beläßt sie es bei etwas dröger Schonkost, posiert dafür umso öfter für eine fotografierwütige chinesische Touristengruppe, die sich vor Gaudi gar nicht mehr einzukriegen scheint.

 

Ein langer Spaziergang am Nilufer, vorbei an riesigen Hotelkomplexen, beendet diesen anstrengenden und aufregenden Tag.

Ich bin froh, daß mich "Paraos Rache" in diesem Urlaub verschont hat und mein Verdauungsapparat bis dato prächtig funktioniert.

 

Samstag, 17.4. i Kairo - Frankfurt - Meschede

 

Nun heißt's Abschied nehmen. Bei 40oC im Schatten lassen wir uns kurz vor Mittag von unserem "Leib- und Magentaxifahrer" zum Flughafen bringen. Einchecken, Kontrollen - alles easy.

Und in dem supermodernen Airbus haben wir - wieder einmal - Spitzenplätze.

 

Während unter uns das Nildelta langsam im Dunst verschwindet, beginnt auf dem direkt über uns postierten Monitor die Vorführung des Filmes "Liebling, wir haben eine Riesenbaby". Zeit genug also, die letzten Tagebucheintragungen vorzunehmen und unsere Reise durch "Arabia felix", wie der Jemen früher genannt wurde, noch einmal Revue passieren zu lassen.

Klaus hat sein nächstes Afrika-Projekt bereits im Visier, wo hingegen ich sicher noch lange von den Eindrücken dieser drei Wochen zehren werde. Alles in allem glaube ich, von einem vollkommen gelungenen Erlebnisurlaub sprechen zu können, der etliche Höhepunkte aneinanderreihte. Da fällt es schwer, irgendetwas besonders hervorzuheben.

Und während ich so vor mich hin sinniere, tauchen wir - schneller als erwartet - wieder ein in unsere Welt, bringen schnell den nervenaufreibenden Frankfurter Flughafen hinter uns und finden zu unserer Erleichterung auch Klaus' R5 unbeschadet auf dem Gratis-Parkplatz in Kelsterbach vor.

Auf der Fahrt in Richtung Meschede / Essen bewegt uns vornehmlich ein Thema, nämlich welches wohl unser nächstes gemeinsames Reiseprojekt sein wird. Nach einem solch attraktiven Reiseland wie dem Jemen werden wir uns wohl noch länger die Köpfe zerbrechen müssen über unser zukünftiges "Traumziel".

 

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